Die Bedeutung der Atmung für unsere Gesundheit

Atmen ist eine grundlegende Lebensfunktion, die oft als selbstverständlich angesehen wird. Doch die Art und Weise, wie wir atmen, hat einen erheblichen Einfluss auf unser körperliches und geistiges Wohlbefinden. Die meisten Menschen haben eine zu flache und zu kurze Atmung haben, wobei der Körper automatisch auf Stressmodus schaltet. Dabei fördert eine gute Atmung die Schlafqualität, hilft bei der Bewältigung von Ängsten, steigert das Wohlbefinden, reduziert Stress und stärkt das Immunsystem. Kein Wunder also, dass Breathwork oder Atemarbeit mittlerweile zu einer weit verbreiteten Praxis geworden ist, um die Gesundheit zu fördern und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.

Webinar am 21.1.2025: Mentale Stärkung durch Atem und Stimme

Zusammen mit Neurowissenschaftlerin & Musikerin Dr. Barbara Studer tauchen wir in die faszinierende Verbindung zwischen Atem und Stimme ein und zeigen, wie diese beiden Elemente deine mentale und körperliche Gesundheit fördern und deine Resilienz, kognitive Leistung und Kreativität steigern können.

Wie Atemtechniken Stress reduzieren können

Aktivierung des Parasympathikus

Durch gezielte Atemübungen kann der Parasympathikus aktiviert werden, was zu einer Verringerung der Herzfrequenz und des Blutdrucks führt. Dies hilft, Stress und Angst abzubauen und fördert ein Gefühl der Ruhe und des Wohlbefindens. Besonders in schwierigen Situationen oder bei Stress kann bewusstes Atmen mit gezielten Techniken schnell zur Beruhigung und Entspannung führen.

Erhöhung der Sauerstoffversorgung

Tiefes Atmen erhöht die Sauerstoffversorgung im Körper, was die Energieproduktion in den Zellen verbessert und zu einem gesteigerten allgemeinen Wohlbefinden führt. Es hilft auch, Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen und das Immunsystem zu stärken.

Nase oder Mund?

Experten sind sich einig, dass das Atmen durch die Nase gesünder ist als die Mundatmung. Die Nasenhaare und die Nasenschleimhaut filtern Schmutz und Viren aus der Luft heraus, während die Luft beim Einatmen durch die Nase erwärmt und befeuchtet wird.

Die Nasenatmung bietet nicht nur besseren Schutz vor Viren, sondern ermöglicht auch eine höhere Sauerstoffaufnahme. Das Zwerchfell wird durch die Nasenatmung angeregt. Die Riechzellen in der Nase erkennen Schadstoffe, was bei der Mundatmung nicht der Fall ist. Ohne diese Filterfunktion können Verunreinigungen direkt in die Atemwege gelangen und das Risiko für Lungenerkrankungen erhöhen.

Konkrete Atemübungen für den Alltag

1. Zwerchfellatmung

  1. Lege dich auf den Rücken (wenn die Bewegung klar ist, funktioniert die Übung auch im Sitzen in aufrechter Haltung).
  2. Lege beide Hände auf deinen Unterbauch.
  3. Atme tief durch die Nase ein und spüre, wie sich dein Bauch hebt.
  4. Atme langsam durch den Mund aus und spüre, wie sich dein Bauch senkt.
  5. Hebe die Hände ein paar Zentimeter vom Bauch ab und stelle dir vor, wie du den Raum zwischen Unterbauch und Händen mit der Einatmung füllst.

Dauer: 5-10 Minuten pro Tag.

Stressreduktion: Die Verlängerung des Ausatems reduziert Stresshormone und fördert Entspannung.

Verdauung: Die Organe unterhalb des Zwerchfells werden durch die grössere Bewegung „massiert“.

✅ Sauerstoffversorgung: Die tiefere Atmung füllt die Lungen effektiver mit Luft, wodurch mehr Sauerstoff ins Blut gelangt und die Organe optimal versorgt werden.

Schlafqualität: Zwerchfellatmung hilft, das Nervensystem herunterzufahren, und erleichtert so das Einschlafen und Durchschlafen.

2. Lippenbremse (Cyclic Sighing)

  1. Einatmen: Tief einatmen, direkt danach ein zweites, kürzeres Einatmen (wie ein „Nachziehen“ von Luft), um die Lungen maximal zu füllen.
  2. Ausatmen: Spitze die Lippen wie beim Kerzenausblasen und atme langsam und kontrolliert durch den Mund aus. Lasse die Ausatmung länger dauern als die Einatmung.
  3. 20–30 Wiederholungen

✅ Eine Studie von Yilmaz Balban et al. (2023) zeigt, dass Cyclic Sighing (Fokus auf eine verlängerte Ausatmung) gegen Stress wirksamer ist als Box Breathing (Atemhaltepausen zwischen Ein- und Ausatem), Cyclic Hyperventilation und Achtsamkeitsmeditation (zumindest bei Untrainierten). Die Verlängerung des Ausatems reduziert Stresshormone und fördert Entspannung.

✅ Die sehr ähnliche COPD-Atemtechnik hilft, den Druck in den Atemwegen zu stabilisieren. Dadurch bleiben die kleinen Atemwege länger offen, was die Entleerung der Lunge erleichtert und für eine bessere Sauerstoffaufnahme sorgen.

3. 4-7-8 Atemtechnik

  1. Atme durch die Nase ein und zähle bis 4.
  2. Halte den Atem an und zähle bis 7.
  3. Atme langsam durch den Mund aus und zähle bis 8.

Dauer: 4 Atemzüge hintereinander, zweimal täglich.

Alternative: Probiere Zähltechniken wie 4-4-4-4 (Ein- und Ausatmung mit Pausen) oder 7-1-7. Finde heraus, was für dich am besten funktioniert!

Konzentration: Der ruhige Atemrhythmus verbessert die Durchblutung des Gehirns und fördert mentale Klarheit sowie Fokus.

4. Wechselatmung (Nadi Shodhana)

  1. Setze dich bequem und aufrecht hin.
  2. Platziere Zeige- und Mittelfinger deiner rechten Hand zwischen den Augenbrauen.
  3. Schliesse das rechte Nasenloch mit dem Daumen und atme durch das linke Nasenloch aus und nach einer kurzen Atempause wieder ein.
  4. Schliesse dann das linke Nasenloch mit Ring- und kleinem Finger und atme durch das rechte Nasenloch aus und nach der Atempause wieder ein.

Dauer: 5-10 Minuten

Balance: Die Wechselatmung stimuliert beide Hirnhälften, fördert die Zusammenarbeit von logischem Denken und Kreativität und verbessert die mentale Klarheit.

Blutdruckregulation: Die langsame, bewusste Atmung fördert die Entspannung und kann helfen, den Blutdruck zu senken.

Stressreduktion: Die bewusste, langsame Atmung beruhigt den Geist, reduziert Stresshormone und aktiviert den Parasympathikus.

5. Tiefes Gähnen

  1. Strecke und recke dich.
  2. Versuche bewusst zu gähnen und dabei tief einzuatmen.
  3. Wiederhole 3–5 mal

Muskelentspannung: Gähnen und Strecken lockern verspannte Muskeln, lösen Verkrampfungen und fördern die Durchblutung der Muskulatur.

Wachsamkeit: Die Bewegung und das tiefe Einatmen beim Gähnen steigern die Sauerstoffversorgung im Gehirn und machen wacher.

Mobilisierung der Wirbelsäule: Strecken hilft, die Wirbelsäule zu mobilisieren und die natürliche Haltung zu fördern, besonders nach langem Sitzen.

Zwerchfellatmung für mehr Sauerstoff

Unsere Körperhaltung hat einen direkten Einfluss auf unsere Atmung. Eine aufrechte und entspannte Haltung fördert die Bauchatmung, die tiefere und effizientere Atemzüge ermöglicht. Wenn wir jedoch eine schlechte Körperhaltung einnehmen, etwa beim Sitzen mit nach vorne gebeugten Schultern, wird der Brustkorb zusammengedrückt und die Atembewegung eingeschränkt. Dies führt oft zu flacher Brustkorbatmung, bei der weniger Sauerstoff aufgenommen wird und die Atemmuskulatur nicht optimal genutzt wird.

Eine aufrechte Haltung öffnet den Brustkorb und ermöglicht es dem Zwerchfell, sich vollständig zu bewegen, wodurch mehr Luft in die Lungen strömen kann. Auch die Wirbelsäule spielt eine wichtige Rolle: Eine gerade Wirbelsäule unterstützt die freie Bewegung der Atemmuskulatur. Regelmässige Dehnübungen und ein bewusstes Haltungsbewusstsein können daher nicht nur die Atmung verbessern, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden und die Stressresistenz erhöhen. Indem wir auf unsere Haltung achten und sie verbessern, schaffen wir die Voraussetzung für eine gesunde, tiefe und entspannte Atmung.

«Eine Schulung der Atmung bedingt immer auch eine Haltungsschulung und umgekehrt.»

Codoni/Spirgi-Gantert/Jackowski, Funktionsorientierte Logopädie. Berlin 2019, S. 197.

Fazit

Die Atmung ist ein mächtiges Werkzeug, das uns helfen kann, Stress abzubauen und unser allgemeines Wohlbefinden zu verbessern. Durch gezielte Atemtechniken können wir unsere Gesundheit positiv beeinflussen und ein ausgeglicheneres Leben führen. Probiere die vorgestellten Übungen aus und integriere sie in deinen Alltag, um die Vorteile der richtigen Atmung selbst zu erleben.

Übrigens: Beim Singen wird die Ausatmung automatisch verlängert, was zu vielen vielfach nachgewiesenen positiven Effekten auf die Gesundheit führt.

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