Auftrittskompetenz: Tipps und Tricks aus der Musikphysiologie
Wie gelingt es, vor Publikum selbstbewusst und überzeugend aufzutreten?
Musiker trainieren gezielt, um in stressigen Situationen souverän zu bleiben – eine Fähigkeit, die auch in der Geschäftswelt unverzichtbar ist.
Musikphysiologie untersucht, wie Körper und Geist in anspruchsvollen Auftrittssituationen zusammenarbeiten und wie diese Prozesse aktiv gesteuert werden können. Viele dieser Techniken können nicht nur Lampenfieber reduzieren, sondern auch die Präsenz und das Selbstbewusstsein steigern – sei es auf der Bühne, im Konferenzraum oder bei einem wichtigen Meeting.
Embodiment – Der Körper führt den Geist
Unter Stress fällt es uns oft schwer, klar zu denken. Dies liegt daran, dass Stresshormone den präfrontalen Kortex, also das Zentrum für logisches Denken, beeinträchtigen. Hier kommt das Konzept des Embodiments ins Spiel: Unser Körper kann das Gehirn aktiv beeinflussen, indem er über Haltungen, Bewegungen und Atemmuster Signale sendet, welche auf das Nervensystem einwirken und das Gehirn beruhigen können.
Ein Beispiel: Wenn wir selbstbewusst stehen, aufrecht und stabil, sendet unser Körper positive Signale an das Gehirn. Dies reduziert das Gefühl der Unsicherheit und steigert das Selbstbewusstsein. Dies wird als Bottom-Up-Prozess beschrieben: Die Haltung und Bewegung des Körpers beeinflussen unser Denken und unsere Emotionen.
1. Atemübungen – Die Macht des bewussten Atems
Warum es funktioniert: Unter Stress atmen wir oft flach und hektisch. Dies signalisiert dem Körper Gefahr, was das Gefühl von Anspannung verstärkt. Mit gezielten Atemtechniken können wir jedoch das autonome Nervensystem beruhigen und uns wieder in einen stabileren Zustand bringen.
2. Aufrichtung schafft Stabilität – Standfestigkeit auf der Bühne
Warum es funktioniert: Unsere Körperhaltung hat einen direkten Einfluss auf unser Selbstbild und auf die Wahrnehmung anderer. Ein unsicherer Stand oder das unbewusste Wippen von einem Bein aufs andere signalisiert dem Gehirn und dem Publikum Unsicherheit. Wenn wir stabil und aufrecht stehen und gut geerdet sind, fühlen wir uns sicherer – ein starkes Signal an unser Nervensystem. So können wir auch gedanklich präsenter bleiben.
Eine Übung aus dem Qi Gong: 无极站桩 (Stehende Säule):
- Standposition einnehmen: Stelle deine Füßss schulterbreit auseinander, parallel zueinander. Die Knie sind leicht gebeugt, das Gewicht gleichmässig auf beiden Füssen verteilt.
- Aufrichtung der Wirbelsäule: Stelle dir vor, dass jede deiner Bandscheiben aufgeblasen wird. Deine Wirbelsäule ist aufrecht, der Rücken entspannt, aber stabil.
- Schultern entspannen: Lass deine Schultern nach unten sinken, während deine Arme locker neben deinem Körper hängen, leicht nach vorne geneigt, als würdest du einen Ball vor dir halten.
- Verwurzelung der Füsse: Stelle dir vor, deine Füsse wachsen tief in den Boden wie Wurzeln eines Baumes. Diese „Verwurzelung“ gibt dir Stabilität und sorgt dafür, dass du dich zentriert fühlst.
- Atmung: Atme tief und ruhig durch die Nase ein und aus. Konzentriere dich auf deinen Atem und lass ihn in deinen Bauch fliessen. Spüre, wie der Atem deine innere Ruhe und Stabilität stärkt.
- Haltung halten: Halte diese Position für 5 bis 10 Minuten. Achte darauf, dass du die Ruhe im Stehen findest, während dein Körper stabil und aufgerichtet bleibt.
Sogenannte „Power Posen“ vermitteln nicht nur Selbstbewusstsein, sondern beruhigen auch das Nervensystem und reduzieren Lampenfieber.
3. Stimme stärken – Der Ton macht die Musik
Eine unsichere Stimme kann ein Zeichen von Nervosität sein. Doch genauso kann die Stimme durch gezielte Übungen stabilisiert werden, um mehr Sicherheit und Kraft zu vermitteln. Warum es funktioniert: Die Vibrationen der Stimme haben eine beruhigende Wirkung auf den Körper und steigern das Selbstvertrauen.
Fazit: Musikphysiologie als Schlüssel zur Auftrittskompetenz
Auftrittskompetenz ist nicht nur eine Frage der mentalen Vorbereitung. Der Körper spielt eine zentrale Rolle dabei, wie wir uns auf der Bühne fühlen und wie wir wirken. Durch gezielte Übungen zur Atmung, Körperhaltung und mentaler Stabilität können wir unsere Präsenz signifikant verbessern. Die Musikphysiologie liefert dazu wertvolle Ansätze, die sowohl für Musiker als auch für Führungskräfte von grossem Nutzen sind.