StrongVoice
- Wie kann ich meine Stimme trainieren?
- Wie funktioniert sie überhaupt?
- Welche Rolle spielen Atem, Muskeln und Haltung beim Singen?
- Wie kann ich meine Intonation verbessern? Meine Rhythmik? Meinen Ausdruck?
- Wie kann ich mit Vibrato singen?
- Was muss ich beim Singen mit einem Mikrofon beachten?
- Welche Mittel gibt es gegen Lampenfieber?
Eine starke Stimme lässt sich trainieren. Entscheidend ist ein guter Trainingsaufbau, der sowohl Stand, Atmung und die Stimme selbst beinhaltet. Wie im Sport muss ein Training im Hochleistungsbereich genau auf die Ziele und den Ausführenden angepasst sein und lässt sich nicht verallgemeinern. Wenn du dich etwas einlesen möchtest, habe ich hier spannende Videos und Buchtipps gesammelt.
Dein Stimmtraining: Warm up der Stimme
Herzlich willkommen zu einer Stimm-Entdeckungsreise, die dich hoffentlich dazu anregt, deine eigene auf dich abgestimmte Übe-Routine auszufeilen und immer weiterzuentwickeln.
Warum soll man seine Stimme aufwärmen?
Kein Sportler würde auf die Idee kommen, ein Training oder gar einen Wettkampf zu beginnen, ohne sich vorher aufzuwärmen. Ansonsten würde er nicht nur schlechtere Leistungen riskieren, sondern auch Verletzungen.
Beim Singen ist es erforderlich, die Aktivität dieser gesamten Muskulatur feiner aufeinander abzustimmen als beim Sprechen. Sie nimmt beim Singen andere, teilweise konstantere Spannungszustände ein. Das Einsingen regt zudem die Schleimdrüsen dazu an, schützende Feuchtigkeit zu produzieren. Durch den verstärkten Luftstrom beim Singen besteht sonst die Gefahr der Austrocknung.
Auch unser Gehirn wird im weitesten Sinne des Wortes eingestimmt: Die Hörkontrolle und die Nervenaktivität werden auf das Singen eingestellt. Das gilt umso mehr beim Musizieren mit anderen. Hier ist das Einsingen auch Gehör-Training, ein Aufeinanderabstimmen.
Eine aufgewärmte Stimme ist ausdauernder, belastbarer und ausdrucksstärker.
Wie wärme ich meine Stimme auf?
Es lohnt sich, während des Warm ups die Leitfragen im Hinterkopf zu behalten:
- Was brauchen mein Körper und meine Stimme, um möglichst frei zu klingen?
- Welche Klänge tun meiner Stimme gut, so dass sie sich frei und elastisch anfühlt?
Das stimmliche Warm up umfasst:
1. Atmung und Durchblutung anregen (Körper aufwärmen bspw. durch Hüpfen, Hampelmänner, Ausdauersport, …). Dehnungen für die direkt betroffenen Muskeln zum Singen findet ihr hier.
2. Atemraum schaffen (Dehnungen (mit Atem kombiniert), Selbstmassagen, Lockerungsübungen)
3. Aktivierung von Atemstütze und langsames Aufwärmen der Stimme durch SOVTE
4. Resonanzraum schaffen
Das Warm up kann ein Leben lang perfektioniert und jeden Tag auf die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden. Der Tonhöhenumfang sollte (ausgehend von angenehmer, entspannter Lage) kontinuierlich erweitert werden. Seit Jahrhunderten etabliert und bis heute aus gutem Grund beliebt sind sogenannte SOVTE (Semi-Occluded Vocal Tract Exercises, auf Deutsch: Stimmübungen mit einem teilweise verschlossenen Vokaltrakt) wie Summen (<m>, <n>, <ng>, stimmhafte Konsonanten (<v>, <s>, <sch>) oder sogenannte «liprolls», <r>, «puffy cheeks» usw. Durch den teilweise verschlossenen Mundraum entsteht eine rückreflektierende Resonanz im Bereich zwischen Stimmlippen und Lippen und bewirkt eine Druckregulation.
Beispiele von SOVTE:
1. Summend die Zunge bewegen, als ob du etwas zwischen den Zähnen hättest.
2. Zungenrollen (tongue thrills)
3. Lippenflattern (lip rolls, lip thrills)
Vorteile der Übung:
- Die Lippen flattern nicht, wenn der Luftstrom nicht gut funktioniert. Die Lippen sind eine Vorstellungshilfe, wie das Vibrieren der Stimmlippen im Kehlkopf funktioniert. Beim Lippenflattern lernen wir also das ideale Mass an Luft kennen, auch für den reibungslosen Übergang zwischen Stimmregistern.
- Das Lippenflattern hilft, den Kehlkopf in einer neutralen Position zu halten und trainiert das Entspannen der Gesichtsmuskulatur. Dies führt zu mehr Resonanzraum.
- Dadurch, dass die Lippen nur einen Teil der Luft rauslassen, der andere aber zurückgeworfen wird, erhalten die Stimmlippen quasi eine „Luftmassage“. Diese Vibration ist hilfreich für die Gesundheit und Stärke der Stimme.
Varianten für Fortgeschrittene:
Kannst du die Zunge rausstrecken und nur die Unterlippe (oder nur die Oberlippe) flattern lassen? Wie verändert sich der Klang im Unterschied zum „gewöhnlichen“ Lippenflattern?
Obertöne/Volumen/Brillanz in der Stimme: Vom Uhu zur Singstimme
- Imitiere ganz leise einen Uhu.
- Sing dann leise auf einem Ton abwechselnd u und o. Versuche, deine Gesichtsmuskulatur dabei so entspannt wie möglich zu lassen. Von Aussen her sollte man kaum den Unterschied zwischen u und o sehen können.
- Lege deine Hände wie Schalen über die Ohren. Kannst du die Brillanz, ein Vibrieren, Obertöne wahrnehmen?
Energie in der Höhe: Von der Hexe zur Singstimme
- Stell dir vor, du wärst die Hexe in einem Kindermärchen, die leise böse „hihihiiii – juhu“ lacht.
- Experimentiere mit verschiedenen Tonhöhen.
- Aus dem Lachen heraus kannst du bspw. in einen Dreiklang übergehen.
Wohlklingende Tiefe: Vom Schaf zur Vollstimme
- Stell dir die Augen eines etwas dümmlich reinschauenden Schafs vor und blöke ein „Bäh“. Achte darauf, dass du Kiefer und Zunge entspannst, die Zunge kannst du fast vorne raushängen lassen.
- Aus diesem Bäh heraus gehst du direkt in ein A über (also Bä-ah).
Registerwechsel trainieren
- Kombiniere die beiden vorherigen Übungen: Bä-ah auf einem entspannten, tiefen Ton UND eine Oktav höher ein lachendes u und wieder runter auf ein entspanntes Ah.
- Versuche, ein langsames Glissando zu singen (den Ton also langsam hinauf- und hinuntergleiten lassen).
Wichtig: Nutze die Kraft deiner Füsse, Beine und deines Beckenbodens, um Raum (=Resonanz) und Freiheit im Hals und im oberen Bauch zu gewinnen.
Songs üben
Es ist sinnvoll, die Gesangsübungen auch auf Songs anzuwenden (bspw. schwierige Stellen mit Lippenflattern, hohe Stellen mit u-o oder Hexenlachen, tiefe Stellen mit der Schafübung zu kombinieren. Das ständige Vergleichen und Nachspüren, was sich wohl und frei anfühlt, bringt dich weiter.
Wähle die Songs, an denen du übst, mit Bedacht, damit du deine Stimme nicht überforderst. An deine Grenzen zu gehen, ist natürlich gut, weit darüber zu schiessen bringt dich nicht weiter. Siehe auch Tipps zum Umgang mit Übungen.
Gönne dir bewusst auch Momente, wo du aus purer Freude singen (und die ganze Technik vergessen) darfst.
Cool Down
Die meisten Stimmprobleme von Sängern lassen sich auf muskuläre Verspannungen zurückführen. Genau wie beim Sport ist es daher sinnvoll, nach dem Singen die Muskeln wieder zu lockern.
Für die Stimme eignen sich da ähnliche Übungen wie zum Einwärmen (Lippenflattern, stimmhafte Konsonanten), aber auch einfach Lockern, alles ausschütteln – lass deine Stimme und deinen Körper das tun, was sie entspannt.
Weitere Singinfos
Weiterführende Tipps und Artikel zu Stimme, Auftrittskompetenz und Atmung habe ich hier aufgelistet.