Vibrato und Non-Vibrato im Gesang

Für Sänger ist es wichtig, die Fähigkeit zu entwickeln, sowohl mit als auch ohne Vibrato zu singen. Beide Techniken haben in verschiedenen Stilrichtungen und Rollen ihren Platz. Während Vibrato oft in klassischeren Stücken verwendet wird, kann Non-Vibrato-Gesang, der sogenannte „Straight Tone“, in moderneren Stilrichtungen und Belt-Stimmen gefragt sein. Beides zu beherrschen, ermöglicht eine grössere Flexibilität und Ausdruckskraft auf der Bühne.

Was ist Vibrato?

Eine Kombination von Muskelbewegungen im Kehlkopf und Veränderungen des subglottischen Drucks (Luftdruck unter den Stimmlippen) erzeugt periodische Schwankungen:

  • Tonhöhe (Grundfrequenz): Leichte Schwankungen in der Frequenz, die als kleine Tonhöhenschwankungen wahrgenommen werden.
  • Amplitude: Veränderungen in der Lautstärke, die während des Singens auftreten.
  • Timbre: Der Wechsel der Klangfarbe, verursacht durch die Bewegung der Obertöne durch verschiedene Vokalresonanzen.

Vibrato-Arten

Laut Johan Sundberg, einem der führenden Wissenschaftler im Bereich der Stimmforschung, gibt es zwei Haupttypen von Vibrato:

  1. Frequenzmoduliertes Vibrato: Hier schwankt die Tonhöhe, während die Lautstärke stabil bleibt.
  2. Amplitudenmoduliertes Vibrato: Die Lautstärke variiert, während die Tonhöhe konstant bleibt.

Beide Arten haben ihre spezifischen Anwendungen und können verschiedene emotionale oder technische Effekte hervorrufen.

Non-Vibrato (Straight Tone)

Im Gegensatz zum Vibrato bleibt beim Non-Vibrato-Gesang die Tonhöhe relativ stabil. Obwohl es theoretisch keinen völlig „geraden“ Ton gibt, da immer kleine Schwankungen auftreten, wird Non-Vibrato genutzt, um einen klaren, direkten Klang zu erzeugen, der besonders in Pop, Rock, Jazz und modernen Musicaln verwendet wird.

Vibrato und Luftdruck

Studien haben gezeigt, dass beim Singen mit Vibrato der Luftfluss höher ist als beim Non-Vibrato. Dies liegt daran, dass beim geraden Ton (Non-Vibrato) eine stärkere Kontrolle über den Luftstrom erforderlich ist, um das Vibrato zurückzuhalten. Dies führt zu einer erhöhten glottischen Widerstandskraft.

Vibrato und Alter

Es ist bekannt, dass das Vibrato mit zunehmendem Alter langsamer wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vibrato-Rate bei jüngeren Sängern etwa bei 5,4 Hz liegt und bei älteren Sängern auf etwa 4,7 Hz sinkt. Dies könnte auf eine langsamere Nervenleitgeschwindigkeit und eine veränderte Muskelkondition zurückzuführen sein.

Übungen

Um beide Techniken zu beherrschen, ist es wichtig, gezielt Übungen durchzuführen, die sowohl das freie Schwingen der Stimmbänder (für Vibrato) als auch die Stabilisierung der Stimme (für Non-Vibrato) fördern. Hier einige nützliche Übungen:

  • Übungen für Vibrato:
    • Hände vor dem Körper schütteln (wie einen Shaker), dazu bspw. «a» singen
    • Abwechseln von zwei Halbtönen
    • klingende Konsonanten summen und dazu stark wippen
    • Abwechseln zwischen schnellen Läufen und gehaltenen Tönen
    • Variationen von Arpeggios, gefolgt von gehaltenen Tönen
    • Agilitätspassagen, die eine Flexibilität im Vokaltrakt fördern
  • Übungen für Non-Vibrato:
    • Einfache Glissandi, die in einem stabilen, geraden Ton enden.
    • Wechsel zwischen Tönen mit und ohne Vibrato, um ein Gefühl der Kontrolle zu entwickeln.
    • Integration von Bewegungen, um Spannung zu vermeiden.

Ursachen statt Symptome behandeln

Oft kann ein Problem mit dem Vibrato oder Non-Vibrato-Gesang auf andere, grössere Herausforderungen zurückzuführen sein. Hier sind einige wichtige Punkte, die helfen können, solche Probleme zu erkennen und zu lösen:

  • Aufrichtung, Stand:
    Ist das Vibrato nur ein Symptom einer grösseren Haltungsproblematik? Eine schlechte Körperhaltung kann den Atemfluss und die muskuläre Kontrolle beeinträchtigen, was wiederum das Vibrato oder den Non-Vibrato-Gesang beeinflusst. Eine aufrechte, entspannte Haltung ohne Spannung in Schultern oder Nacken ist entscheidend für die Freiheit der Stimme.
  • Verspannungen:
    Sind kleine Muskeln um den Kehlkopf herum verspannt? Spannungen in Kiefer oder Zunge können den Kehlkopf aus seiner Balance bringen und den natürlichen Stimmklang beeinflussen. Um dies zu verhindern, sollte man auf Entspannung in diesen Bereichen achten und gegebenenfalls Übungen zur Lockerung des Kiefergelenks und der Zungenwurzel durchführen.
  • Atmung:
    Ist das Problem mit dem Vibrato möglicherweise ein Symptom für einen unregelmässigen Atemfluss? Sowohl bei zu hohem als auch bei zu niedrigem Luftdruck kann das Vibrato ungleichmässig werden oder verschwinden.

Fazit

Durch gezieltes Training von Vibrato und Non-Vibrato wird die stimmliche Flexibilität verbessert, was eine grössere Bandbreite an Rollen und Stilen ermöglicht.